Unsere Kirchen

St. Niels

die Geschichte der alten Dorfkirche

Der christliche Glaube mag vor neunhundert  Jahren seinen Weg auch nach Sylt gefunden haben, genaue Quellen gibt es dazu nicht. Im 12. Jahrhundert gehörte das Gebiet zum Bistum Schleswig. Auch war die Insel damals noch keine: erst etliche große und verheerende Sturmfluten sorgten für die heutige Gestalt des Eilandes. Einen besonderen Schutz der Küsten gab es in alter Zeit nicht.

Neben den beiden Hauptorten Morsum und Keitum mit ihren alten, großen Kirchen gab es im Westen von Sylt ein Nicolaikirchspiel, zu dem die Siedlungen Wynnistede (Wenningstedt), Rantum, Eydum (Eidum) und Wiserum gehörten. Überall feierte man nach katholischem Ritus.

Die Reformation kam als Werk des dänischen Königs auf die Insel. Um 1550 wurde überall auf Sylt lutherisch gepredigt – auch im Dorf Eydum, das auf einer Düne am Meer ein kleines Kirchlein besaß. Dort hatten  sich die Menschen des Kirchspiels lange zum Gottesdienst getroffen.

Die Burchardiflut im Oktober 1634 vernichtete das Dorf Eydum, verschonte aber das dortige Kirchlein: es brach erst später baufällig in sich zusammen und wurde abgerissen. Die überlebenden Einwohner siedelten nun endgültig abseits vom Meer in der Tinnumer Feldmark Westerlöön (Westerland). Bald suchten sie nach Ersatz für ihr verlorenes Gotteshaus und beschlossen den Bau einer Kirche im Dorf.

Für die damals recht arme Bevölkerung stellte der Neubau selbst einer sehr kleinen Kirche eine immense Aufgabe dar. Folgerichtig kam es darüber zum Streit: die Wenningstedter verweigerten ihre Beteiligung daran und schlossen sich (bis 1990!) der Gemeinde in Keitum an.

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Die neue Kirche wurde 1637 geweiht. Sie war zunächst nur gut halb so groß wie heute. Viel Material, etwa Granitblöcke für die Nordwand, und etliches Inventar der alten Kirche wurden nach „St. Niels“  gebracht – Niels ist die norddeutsche Kurzform von Nikolaus, des Schutzpatrons auch der Seeleute. Die alte Glocke, der Altaraufsatz und ein Prozessionskreuz über dem Altarraum erinnern an die Zeit der Eidumer Kirche.

Mitte des 17. Jahrhunderts begann die große Zeit des Walfanges. Viele Familien kamen zu Wohlstand und auch Reichtum dadurch, dass fast alle Männer schon mit sehr jungen Jahren auf die Walfangschiffe gingen. Um 1780 gab es rund 150 Kapitäne auf der Insel, die mit der ebenso lebensgefährlichen wie  lukrativen Jagd Reichtum nach Sylt brachten – viele alte Häuser erzählen bis heute von dieser Zeit.

Mit dem Reichtum wuchs die Bevölkerung. Die kleine Kirche St. Niels musste im frühen 18.Jahrhundert gleich zweimal auf ihre etwa heutige Größe erweitert werden.  1789 erfuhr das mittlerweile gefährlich abgenutzte Gotteshaus nach langem Streit eine grundlegende Sanierung. Eine Gedenktafel in der Wand über der hölzernen Taufe und die Stiftung einer Sonnenuhr an der Südseite der Kirche erinnern daran. Um 1800 ging die Walfangzeit zu Ende. Sylter Seeleute verlegten sich nun auf die Handelsschifffahrt.

1827 wurde die erste der sechs Predigertafeln in die Kirche gehängt. Die Tafeln geben bei aufmerksamer Beobachtung interessante Details zur Geschichte der Gemeinde preis.

Einen Turm besaß St. Niels lange nicht. Die alte Glocke aus Eidum war in einem hölzernen Glockenstapel untergebracht. Siebenmal musste der erneuert werden, bis man 1840 ein kleines Glockentürmchen aus Stein vor die Kirche setzte – unnützerweise, denn 1875 entschloss man sich zum Bau des heutigen Turmes, in dem dann auch die kleine Orgel mit 14 Registern der Firma Markussen Platz fand. 1967 überarbeitete Firma Kemper das Instrument.

Nachdem  1908 der Bau der neuen Kirche am Bahnhof fertiggestellt war – sie ist Ausdruck des Aufstieges der Stadt Westerland seit 1855 als Kur- und Badeort -, geriet die kleine Kirche im alten Dorf etwas aus dem Blick. Um sie wieder ins Bewusstsein der Gemeinde zu heben, fand 1938 die letzte große Umgestaltung von St. Niels statt, mit der sie ihr heutiges Aussehen erhielt. St. Niels wird seit Mitte der 60er Jahre für viele kleine Gottesdienste, Konzerte und Kasualien als Perle mitten im Herzen von Alt-Westerland genutzt. Sie gilt vielen Einheimischen als Seele ihres Ortes.

Der Altar ist der Blickfang für alle Besucher der Kirche. Er stellt die Krönung der Maria durch den auferstandenen Christus dar und wurde etwa um 1475 vermutlich in Lübecker Tradition hergestellt. Es ist nicht bekannt, auf welchen Wegen das Altarretabel nach Sylt kam. Wahrscheinlich stand das Kunstwerk schon in der alten Eidumer Kirche. Neben den Aposteln in den Flügeltüren sind zwei Bischofsfiguren eingebracht: links der Hl. Nikolaus, Namensgeber des Gotteshauses und der Gemeinde, rechts der Hl. Dionysius, einer der 14 katholischen Schutzheiligen. Viele Jahre nahm die lutherische Gemeinde keinen Anstoß an diesem katholischen Motiv. Aber als mit dem Aufstieg zum Seebad auch viele katholische Badegäste die Insel besuchten, sorgten strenge lutherische Pastoren dafür, dass der Altar 1892 mit einem Bild vom Seewandel des Petrus überdeckt wurde – bis 1925 blieb es dort… Das Retabel wurde im Laufe seiner langen Geschichte mehrfach farblich neu gestaltet. Eine aufwendige Restaurierung wurde 2018 abgeschlossen.

Über der Apsis findet sich ein Prozessionskreuz ebenfalls unbekannter Herkunft. Das Kreuz stammt etwa aus dem 14. Jh., der Christuskörper ist wohl etwas jünger. Dass das Kruzifix einmal für Prozessionen gedacht war, zeigt der Tragezapfen am unteren Ende. Auch dieses Stück dürfte aus der Vorgängerkirche nach St. Niels gekommen sein.

Die hölzerne Kanzel stammt aus dem Jahr 1751. Wer sie erbaut und bemalt hat, ist nicht bekannt. An ihrer Seite findet sich der Nachbau einer alten Sanduhr nach alten Originalteilen. Solche Uhren halfen seit dem 17. Jh. in vielen Kirchen, die Dauer der Predigt auf eine Stunde zu begrenzen.

Die hölzerne Taufe mit Deckel ist eine Leihgabe der Gemeinde Neugalmsbüll bei Niebüll. Nachdem der romanische Taufstein 1908 in die neue Kirche versetzt wurde, kann seit 1988 wieder in St. Niels getauft werden.

Wenig ist über die Herkunft und Geschichte der Kronleuchter der Kirche bekannt. Das altarseits aufgehängte Stück stammt aus dem Jahr 1682, eine Stiftung genauso wie der zweite Leuchter, der um 1885 der Gemeinde geschenkt wurde.

Nahe des Einganges der Kirche findet sich ein Marmorepitaph mit englischer Inschrift, der an den tragischen Schiffbruch eines ursprünglich Bremer Kaufmannssohnes erinnert. Entgegen anderer übler Praxis wurde dieser Tote ordnungsgemäß bestattet und seine Familie benachrichtigt. Die setzte Jahrzehnte später diese Tafel. Bemerkenswert ist, dass die Schiffsglocke der „Lutine“ bis heute bei der Versicherungsgesellschaft Lloyds den Verlust eines Schiffes vermeldet…

An der Südseite der Kirche finden sich alte Grabsteine, die z. T. noch aus dem frühen 16. Jahrhundert stammen. An der Ostmauer lehnen große Grabmäler von Angehörigen bedeutenden Sylter Familien.

Text: Christoph Bornemann

Die Kirche ist täglich von 10-16 Uhr geöffnet.

Hier finden Sie unseren Kirchenflyer

Wir melden uns an dieser Stelle, wenn wir wieder dienstags um 11 Uhr Kirchenführungen in St. Niels anbieten.

St Nicolai

Die Geschichte der großen Stadtkirche

Seit dem 16. Jahrhundert schlummerte das kleine Friesendorf Westerland an der Westküste der entlegenen Insel Sylt. Die Menschen lebten von dem, was der kärgliche Boden und das Meer hergaben. Mitte des 17. Jahrhundert entdeckten die Sylter die Seefahrt – zunächst für 150 Jahre den Walfang, ab Beginn des 19.Jahrhunderts die Handelsschifffahrt. Nachdem 1855 das Seebad Westerland gegründet worden war, entwickelte sich allmählich und in bald zunehmendem Tempo ein neuer, äußerst erfolgreicher Wirtschaftszweig für die Einheimischen: der Fremdenverkehr.

Waren es anfangs vor allem Kurgäste, die Förderung und Stärkung ihrer Gesundheit suchten –viele betuchte und prominente Persönlichkeiten -, öffnete sich das Bad mit Beginn des 20. Jahrhunderts immer mehr dem allgemeinen Fremdenverkehr. Eine erste Blüte erlebten Sylt und Westerland in den Zwanzigern. Sehr bald nach dem Zweiten Weltkrieg stiegen die Besucherzahlen wieder rasant an. Heute zählen die jährlichen Übernachtungen nach Millionen.

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Seit 1637 besaß Westerland eine kleine Kirche etwas abseits vom heutigen Stadtzentrum. Schon um 1880 mehrten sich die Klagen, diese Kirche sei viel zu klein, um alle Gläubigen aufzunehmen – namentlich in der damals noch kurzen Sommersaison. Nachdem dann für die katholischen Badegäste extra eine eigene Kirche gebaut worden war, gab man im preußischen Berlin dem Drängen der Sylter nach und genehmigte den Bau einer neuen, großen evangelischen Kirche für das Stadtzentrum. Viele Spenden wurden dafür gegeben. Aus dem ganzen Deutschen Reich kamen Gönner, dem Neubau aufzuhelfen. Am 10. Juni 1908 wurde die Kirche, mit damals 750 Sitzplätzen die größte in ganz Nordfriesland, nach zweijähriger Bauzeit geweiht. Zunächst die „neue Kirche“ genannt, hieß sie nach Einweihung des Dammes zur Insel die „Kirche am Reichsbahnhof“. Heute wird sie als Stadtkirche St. Nicolai bezeichnet – die Kirchbauten in Westerland tragen seit dem 16. Jahrhundert auch als evangelische Sakralstätten den Namen des heiligen Nikolaus, Schutzpatron u. a. der Reisenden und Seeleute. Aus alten Aufzeichnungen wissen wir, dass St. Nicolai, die Stadtkirche, über viele Jahrzehnte zumindest im Sommer sonntags immer gefüllt war.

Nach Weltkriegen und Nachkriegsnot begann man 1962, die doch inzwischen stark gebrauchte Kirche zu renovieren. Die Arbeiten dauerten über ein Jahr. Man entschied sich für eine radikale Neugestaltung nach damals als modern empfundenen Grundsätzen. Die überkommenen Holzschnitzwerke und eine reiche Bildornamentik wurden verbannt. Dadurch verlor die Kirche ihren vorher sehr ausgestalteten, etwas düster wirkenden Charakter. Sie bekam eine äußerst nüchterne Innenausstattung und Farbgebung, die für einen durch das Spiel des Sonnenlichtes in den bunten Fenstern hervorgerufenen ganz eigenen Charme sorgt.

Die Fenster sind Arbeiten des Ahrensburger Glaskünstler Siegfried Assmann. Raumbeherrschend leuchtet das Mosaikband über dem Altar, das Passion und Ostergeschichte darstellt. Es durchbricht die Formgebung der Apsis – ganz so, wie das Geschehen um Jesus Christus die menschlichen Vorstellungen vom Heil Gottes durchbricht: zu Kunst gewordene Theologie der damaligen Jahre. Die Fenster in der Südseite des Kirchenschiffes zeigen Jesusgeschichten, die in der Nordseite illustrieren Gleichnisse des Predigers aus Nazareth.

Der uralte Taufstein – bei genauerem Hinsehen erkennt man zwei Teile – ist unbekannter Herkunft. Er hat bereits in St. Niels und wahrscheinlich auch in der im Meer nach 1634 versunkenen ersten Nicolaikirche im Dorf Eydum gestanden.

Die beiden Leuchter stammen aus der Anfangszeit der Kirche. Der vordere große Leuchter ist die Stiftung eines Westerländers „aus Dankbarkeit für die große Güte Gottes“ – übrigens nach einem langen, leidvollen Leben gegeben…

Die große Orgel der Kirche besitzt 36 Register und ist eine der wenigen noch recht gut erhaltenen Instrumente der Firma Kemper. Sie besitzt einen vollen Klang.

1991 bekam St. Nicolai eine Chororgel der Firma Neuthor dazu. Sie besitzt sieben Register und belegt die hohe Wertschätzung der Kirchenmusik, die in der Gemeinde seit Jahrzehnten gepflegt wird. Seine Existenz verdankt das Instrument dem ehemaligen Kirchenmusiker H.-M. Padel, der den Bau initiert und durch jahrelange Spendensammlung großenteils auch finanziert hat.

2006 erneuerte die Gemeinde die Glocken der Kirche. Die alten gusseisernen mussten nach 80 Dienstjahren entfernt werden. Sie stehen heute vor der Kirche. Seither klingt ein vierstimmiges Geläut im Turm.

Durch die Glockenerneuerung – die Glocken waren innerhalb des Turmes aufgezogen worden – wurde eine Neugestaltung des Eingangsbereiches nötig, der überdies seit der großen Renovierung 1962/1963 wenig einladend gewirkt hatte. Die alten Pfeiler, die die Orgelempore tragen, wurden dabei aus ihrer Rotsteinummantelung befreit. Mit den Glastüren des Keitumer Künstlers Hans-Jürgen Westphal, die die Schöpfungsgeschichte darstellen, verbindet sich so die alte mit der jüngsten Baugeschichte der Kirche.

Die Ornamente an den Emporen zeigen verschiedene, auch religiöse Motive. Auch das Westerländer Stadtwappen ist einmal zu sehen. Unter der Empore an der Nordseite findet sich ein Werk der Meerbuscher Künstlerin Angelika Kasching, die „Tür zum Leben“.

Text: Christoph Bornemann

Die Orgeln in St. Nicolai

und ihre Dispositionen

Hauptorgel St. Nikolaikirche
E. Kemper & Sohn (Lübeck)
um 1965

Chororgel (7 Stimmen)
Orgelbau Neuthor (Kiel)
1989

Kontakt

Gemeindebüro

Kirchenweg 37
25980 Sylt / Westerland
Tel.: 04651 22263
eMail: info@kirche-westerland.de

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